Rundschreiben Nr. 1-16 vom 8. Januar 2016
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute,
unsere Aufgabe heißt Schlesien. Wir wollen deshalb auch im Jahr 2016 unsere ganze Kraft diesem Ziel widmen. Schon jetzt haben wir mit der Vorbereitung für dievorgesehenen Veranstaltungen begonnen. Ich bitte Sie, Ihre Vorbereitungen vor Ort ebenfalls anzugehen.
Entscheidend wird 2016 sein, ob wir unsere Organisationsstruktur erhalten können. Der Landesvorstand wird sich deshalb bemühen, überall dort Hilfestellung zu leisten, wo sie nötig ist. Bitte informieren Sie uns rechtzeitig, wenn Sie Probleme haben.
Im Rundschreiben Nr. 9 hatte ich auf unsere Internetseite hingewiesen, auf der Sie sich auch über Aktuelles informieren können. In diesem Zusammenhang mache ich darauf aufmerksam, dass Sie Ihre Veranstaltungen ebenso hier ankündigen können. Es genügt, wenn Sie eine entsprechende Information an die Geschäftsstelle geben. Abweichend von der bisherigen Information können Sie uns auch im Internet aufrufen, wenn Sie über die Suchmaschine „Google“ landsmannschaft-schlesien-nrw.de eingeben.
Mit diesem Rundschreiben möchte ich Sie wieder über Ereignisse in Polen informieren, die insbesondere die deutsche Volksgruppe betreffen.
Parlamentswahl in Polen
Die Wahl brachte einen Machtwechsel, der zu einer Alleinregierung der nationalistisch geprägten Partei „Recht und Gerechtigkeit (PiS)“ führte. Ihr Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski setzt gegenwärtig auf den Umbau des gesamten Staates. Geradezu überfallartig wurden die Rechte des Verfassungsgerichts beschnitten, so dass es seine Funktion als höchste Instanz der Rechtsprechung als dritte Gewalt im Staat kaum noch ausüben kann. Damit hat sich die polnische Regierung des Kontrolleurs entledigt.
Auch der öffentlich rechtliche Rundfunk wurde staatlicher Aufsicht unterstellt. Der Finanzminister entscheidet jetzt allein über die personelle Besetzung. Tiefe Eingriffe gibt es auch bei allen Verwaltungsstellen. Leitende Beamte, selbst Feuerwehrchefs, werden durch Parteigänger der regierenden Partei ersetzt.
Die nationalistische Politik trifft auch die deutsche Volksgruppe. Gestoppt wurde bereits eine Novellierung des Minderheitengesetzes, das einige Fortschritte hin zu einem europäischen Standard gebracht hätte.
Die von Warschau angestoßene Verwaltungsreform wird u. a. das Umland von Oppeln hart treffen. So sollen Groß Döbern, Komprachtschütz, Proskau, Turawa und Dambrau eingemeindet werden. Die Deutschen sehen in der Änderung die Absicht, ihren Einfluss auf die Selbstverwaltung zu schwächen, denn die große polnische Mehrheit der Großstadt Oppeln wird die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden mit einem starken deutschen Anteil dominieren. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Deutschen werden damit eingeschränkt.
Den neuen Wind bekam auch der einzige deutsche Sejmabgeordnete, Ryszard Galla, zu spüren. Er wurde nicht mehr in das Präsidium des Minderheitenausschusses gewählt. Damit gehört dem Präsidium des Ausschusses erstmalig kein Vertreter der nationalen und ethnischen Minderheiten an.
Leider muss man wohl die Hoffnung aufgeben, dass der große Drahtzieher, Jaroslaw Kaczynski, durch gute Worte oder durch den Druck von außen dazu gebracht werden kann, rechtsstaatliche europäische Normen zu beachten. Dies entspricht nicht dem Profil seiner Person. Als wir in den Jahren 1999 – 2003 viermal mit Delegationen der Vertreter der Ostdeutschen Landsmannschaften zu politischen Gesprächen in Warschau waren, verweigerten die Brüder Kaczynski als einzige der Parteienvertreter ein Gespräch. Wie in den folgenden Jahren zu sehen war, als Ausdruck einer Ablehnung der Deutschen. Ich glaube deshalb auch nicht, dass Glückwünsche zur gewonnenen Wahl, wie der Vorsitzender der Landsmannschaft der Oberschlesier, Klaus Placzek, sie an die Adresse von Kaczynski gerichtet hat, Entgegenkommen bewirken können.
Gedenken an deutsche Opfer
70 Jahre nach Kriegsende gedachten die Deutschen in vielen Orten in Polen der eigenen Opfer. Von einer gespensterhaften Denkmalsenthüllung am 6. November in Beuthen-Mechtal sprach das in Oppeln erscheinende Wochenblatt. Gespenstisch wurde von der deutschen Volksgruppe empfunden, dass man das Wort „deutsch“ sorgfältig vermied, obwohl es um die Ermordung deutscher Staatsangehöriger nach Kriegsende ging. Dies galt für die Predigt des Pfarrers in der Gedenkmesse als auch für die Redner der Stadt Beuthen. Das gleiche ereignete sich in Schwientochlowitz (Kattowitz) bei der Gedenktafelenthüllung im Lager Zgoda in der Markthalle, die als erste die deutschen Gefangenen aufnahm. Bereits in einem früheren Rundschreibe hatte ich auf den unkorrekten Text auf der Tafel am ehemaligen Lagereingang hingewiesen, weil auch hier der Bezug auf die deutschen Insassen verschleiert und statt dessen der Begriff „Oberschlesier“ gewählt wurde.
Aus Anlass des 50. Jubiläums des Museums des Lagers Lamsdorf fand dort ein Austausch zwischen Wissenschaftlern aus Rußland, Polen und Deutschland statt, eingeleitet durch eine Feierlichkeit in der Oppelner Philharmonie. Das Museum entstand als Gedenkstätte für die Kriegsgefangenen während des Krieges, in der Mehrzahl Soldaten aus der Sowjetunion. Erst nach der Wende gelang es nach jahrelangem Kampf, auch eine Gedenkstätte für die nach dem Krieg inhaftierte deutsche Bevölkerung aus acht nahe gelegenen Dörfern einzurichten. Man sei noch mit Forschungen befasst und jeder Tag bringe neue Entdeckungen, so die Vizedirektorin des Museums. Man kann nur hoffen, dass den zivilen deutschen Opfern neben dem Denkmal ebenfalls eine ähnliche Würdigung wie den Kriegsgefangenen eingeräumt wird.
Hoffnung auf Minderheitensender?
Bisher haben die verschiedenen Minderheiten nur bedingten Zugang zu den öffentlich rechtlichen Sendern. Die Darstellung der deutschen Kultur und des Verbandslebens der Deutschen ist deshalb nur schwer möglich. Trotz des Umbruchs in Polen hegen verschiedene Aktive die Hoffnung, dass die Neuordnung des Medienwesens vielleicht doch einen Minderheitensender bringt. Als Modell wird die westliche Ukraine gesehen, wo es für die dort lebenden acht Minderheiten einen eigenen Radio- und Fernsehsender gibt, darunter sind auch die Deutschen.
Martin Lippa bleibt Vorsitzender in der Woiwodschaft Schlesien.
Gegen drei Gegenkandidaten hatte sich Lippa zu behaupten. Er schaffte es knapp. Von den 64 Stimmen erhielt er 23, seine Gegenkandidaten kamen auf 19, 12 bzw. 10 Stimmen. Als Ziele nannte der Wiedergewählte die Gründung der ersten zweisprachigen Schule in Gleiwitz, die Einrichtung deutscher Fußballschulen wie in der Woiwodschaft Oppeln und die Inbetriebnahme bzw. den Verkauf der Husarenkaserne in Ratibor.
Flüchtlingskrise in Deutschland auch Thema bei Deutschen in Schlesien.
Im Wochenblatt, der Zeitung der Deutschen, stellten zwei deutsche Funktionsträger ihre unterschiedlichen Meinungen zu diesem Thema gegenüber. Bernard Gaida (Vorsitzender der VdG in Polen) argumentierte aus christlicher Sicht und meint, Bedürftige müssten unterstützt werden. Aus christlicher Nächstenliebe und Identität sei außerdem das Gebot der Menschliebe anzuwenden, so seine Ansicht.
Roza Malik, Bürgermeisterin von Proskau, bezeichnet die deutsche Flüchtlingspolitik als ungeheuren Fehler und hofft, dass die Kundgebungen von Pegida und AfD zu einer Änderung der Optik der Kanzlerin führen werden. Sie sieht die Gefahr einer multikulturellen Gesellschaft, die durch Imame angeheizt würde. Deutschland sollte nicht an der eigenen Brust eine Gefahr züchten, sondern Stopp sagen.
Schlesien Glückauf!
gez. Rudi Pawelka, Landesvorsitzender